Alwin Neumann – Aus dem Leben eines »echten Börnickers«
Alwin Neumann wird am 20. September 1905 als zweites von insgesamt sieben Kindern der Eheleute August und Martha Neumann in Börnicke geboren. Zwei seiner Geschwister sterben bereits im Kindesalter, zwei Brüder fallen im Zweiten Weltkrieg.
Beide Eltern sind auf dem Gut der Mendelssohn-Bartholdy als Landarbeiter tätig. Im Winter arbeitet die Mutter in der Gärtnerei.
Als Alwin laufen kann, wird er im »Marienheim«, der erste Kindertagesstätte in Börnicke, aufgenommen. Dort wird er zusammen mit weiteren Kindern von Landarbeitfamilien durch eine evangelische Schwester betreut, kann im Garten spielen und erhält kostenlose Trinkmilch vom Gut.
Mit sieben Jahren wird Alwin Neumann eingeschult und besucht von 1912 bis 1920 die Börnicker Dorfschule. Dort lernt er anfangs mit Griffel und Schiefertafel umzugehen.
Nach der 8. Klassen muss er – wie die meisten Börnicker Kinder – die Schule verlassen. Sein Vater stirb 1920 im Bernauer Krankenhaus an den Spätfolgen einer Verletzung aus dem Ersten Weltkrieg. So muss auch Alwin für die übrigen vier Geschwister sorgen und verdingte sich beim Bauer Rudolf Becker gegenüber des alten Gasthofes in der Ernst-Thälmann-Straße. Er muss feststellen, dass Welten zwischen der Aushilfstätigkeit als Schüler und der Arbeit eines Landarbeiters liegen. Er soll im Pferdestall schlafen und wird auch sonst nicht gut behandelt.
Im Herbst 1920 kann er als Landarbeiter auf dem Gut anfangen und bleibt dort 18 Jahre lang bis 1938. 1931 lernt der 26-jährige Alwin auf dem Gut seine spätere Frau Irma kennen. Sie verbringen mehr als 60 Jahres ihres Lebens gemeinsam.
Aus den Jahren 1932/33 ist bekannt, dass der im sozialdemokratischen Reichsbanner organisierte Alwin mit den Nazis in Konflikt kommt. Auch weitere Genossen, die mit ihm auf dem Gut arbeiten werden verhaftet, aber alle durch den Gutsinspektor Fertig wieder aus Bernau ausgelöst.
Als 1938 ein Reserveoffizier als neuer Gutsinspektor eingesetzt – das Gut wurde nun von einem hohen Nazi-Offizier verwaltet – kündigen die Neumanns. Bald finden sie in einer der vielen Kasernen in Bernau Arbeit in Küche und Garten und verdienen sogar deutlich mehr als auf dem Gut.
1940 muss Alwin Neumann als Soldat einer Baukompanie in den Krieg. Er baut auch in der damaligen Sowjetunion und gerät 1945 in Bayern in amerikanische Kriegsgefangenschaft. 1. August 1945 ist er der erste freigelassene Börnicker.
Zurück in seinem Heimatdorf beginnt er sofort wieder als Arbeiter auf dem Gut. Der größte Teil des Guts ist nach der Enteignung 1945 der KPD, später SED unterstellt und dient als Versorgungsgut des Zentralkomitees und beliefert das im Schloss eingerichtete Erholungsheim. Alwin arbeitet in der Wintersaison in der Brennerei, in der Sommersaison vor allem bei der Getreideernte. Bekannt ist er dort besonders für seine Genauigkeit beim Andecken der Miete.
Nach der Schließung der Brennerei 1953 – die technischen Anlagen mussten als Reparationszahlung an das ehemalige Jugoslawien geleistet werden – arbeitet Alwin Neumann in der Gärtnerei auf dem Gut. Hier kann er wieder mit einem Pferd arbeiten und den Acker auf der Südseite der Ernst-Thälmann-Straße bewirtschaften. Als auch die Gärtnerei schließlich geschlossen wird, ist Alwin dicht am Rentenalter. Er nimmt eine Arbeit in der Heizung des Gutsverwalterhauses und den Baderäumen auf und füttert die Pferde – bis zu seinem 70. Lebensjahr.
Noch ein weiteres Jahrzehnt arbeitet er als Wächter, wo er vor allem im Sommer nachts den Mähdrescherkomplex beaufsichtigt.
Nach seinem Ausstieg aus dem Arbeitsleben, hält Alwin Neumann seinen großen Garten in Schuss, holt Kaninchenfutter, fährt mit dem Fahrrad zum »Rüben-Stoppeln« und liest in der Zeitung am liebsten die Annoncen. Vom Fernsehen hält er nicht viel.
Mit fast 82 Jahren wird er mit einem Magendurchbruch ins Krankenhaus eingeliefert, verlässt es aber dank schneller Hilfe nach 11 Tagen und nimmt seine gewohnte Arbeit wieder auf.
Im Alter von 87 Jahren vollendet sich schließlich das arbeitsreiche Leben von Alwin Neumann. Seine Lebensgeschichte – die Geschichte eines Börnickers, der lange nicht über die Grenzen des Dorfes hinaus kam, ist ein typisches Beispiel für das harte und entbehrungsreiche, aber auch erfüllte Leben eines Guts- und Landarbeiters. Alwin Neumann ist zusammen mit seiner Frau Irma auf dem Börnicker Kirchhof in der Nähe der kleinen Kapelle beerdigt.
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