04.11.2020
Das Bernauer Kantorhaus wird saniert
Eine gründliche Erneuerungskur erfährt derzeit das älteste erhaltene Wohngebäude in Bernau, das Kantorhaus. Schon beim Anblick des schönen Fachwerkhauses weht dem Betrachter der Atem der Geschichte entgegen. Sogenannte Kastenherren haben es in den Jahren 1582/83 erbauen lassen und der Kirche gestiftet. Daran erinnert seitdem ein ausgestemmter Schriftzug am Schmuckbalken an der Vorderfront des Hauses. In dem Fachwerkhaus wohnten über die Jahrhunderte hinweg Kantoren und Organisten bzw. deren Witwen. Drei Schornsteine zeigen, dass es dort drei Wohnungen – einst Buden genannt – gab. Doch der Zahn der Zeit nagte kräftig an dem Gebäude und die Ansprüche an das Wohnen änderten sich. In der 1894 erschienenen Wernicke-Chronik wird es als schon sehr baufällig und „in der niedrigen zweiten Etage überhaupt nicht wohnlich“ hergestelltes Gebäude beschrieben.
Das Kantorhaus überstand den Flächenabriss
Es grenzt fast an ein Wunder, dass das Kantorhaus noch steht. Im Laufe der Jahrhunderte wurde es mehrfach umgebaut und saniert. Akut gefährdet war es zuletzt beim Flächenabriss in der Bernauer Innenstadt. „Einfach abreißen, wozu brauchen wir das?“, sagte damals so mancher. Doch das unter Denkmalschutz stehende Haus hatte wieder einen Schutzengel und wurde von 1981 bis 1983 sogar aufwändig saniert. Einige Jahrzehnte lang war es das Domizil der Kreismusikschule.
Modernisierung für mehr als 720.000 Euro
Inzwischen ist die Stadt Eigentümerin des Hauses. Da auch die letzten 27 Jahre ihre Spuren in Form von gravierenden Schäden hinterlassen haben, erfolgt seit Herbst vergangenen Jahres eine Modernisierung des Gebäudes. Das lässt sich die Stadt immerhin etwa 720.000 Euro kosten, 270.000 Euro davon sind Städtebaufördermittel aus dem Programm „Aktive Stadtzentren“. Denkmalgerecht und weitestgehend barrierefrei wird das Kantorhaus sowohl innen als auch außen saniert. „Die Trockenbau- und Innenputzarbeiten sind abgeschlossen, neue WCs und eine Wandheizung werden eingebaut. Auch eine Abwasserleitung wurde verlegt“, informiert Iris Üffing vom Bauamt der Stadt. Ein besonderer Kraftakt und zugleich eine Meisterleistung war die Erneuerung der Schwelle, weil die ursprüngliche witterungsbedingte Schäden aufwies. Gemeint ist damit der umlaufende untere Eichenbalken. Auch der Feldstein-Sockel darunter wurde erneuert.
Lichtaugen sind ein Hingucker
Ein Hingucker sind zwei Lichtaugen auf dem Dach. Diese münden in Lichtrohren, die natürliches Licht in einen der recht dunklen Räume im Oberschoss bringen. Genutzt werden sollen diese künftig als Büroräume und Nähstube. Im Erdgeschoss wird der städtische Kostümfundus untergebracht, der derzeit sein Domizil noch im Stadtgärtnerhaus hat. Dazu kommt ein Multifunktionsraum für Veranstaltungen.
Das neue Outfit ist das alte
Ins Auge fällt das neue Outfit des Kantorhauses. In Anlehnung an die farbliche Gestaltung im 19. Jahrhundert wurden die Fachwerkhölzer gemäß der restauratorischen Untersuchung jetzt graublau und nicht mehr braun gestrichen. Die Fassade erhält einen hellen Ockerton. Analog dazu ist die Farbgebung auch in den Innenräumen. „Alle Farben haben wir selber angemischt, die Putzgefache wurden mit einer Reinsilikatfarbe gestrichen“, so Matthias Felsch vom Malereibetrieb Ach aus Pankow. Schließlich seien früher auch Naturfarben verwandt worden. Für ihn ist es immer wieder eine Herausforderung und schön zugleich, an der Restaurierung eines „Hauses mit Geschichte“ mitwirken zu können.
Im ersten Quartal kommenden Jahres soll die Sanierung des Kantorhauses abgeschlossen sein. Dann können die Bernauer das fast 450 Jahre alte Haus in neuer alter Schönheit sehen.